Dienstag, 26. August 2008

Pünktchen und A(n)tom

Kennen Sie den Kinderroman "Pünktchen und Anton" von Erich Kästner?
Hier geht es jetzt um etwas ganz anderes. Nämlich um das, womit Physikbücher klassischerweise immer anfangen (von Vorwörtern und groben Überblicken mal abgesehen): Die Mechanik von Massenpunkten.

Was ist ein Massenpunkt und wozu ist sowas gut?

Die kurze Antwort: Das ist ein Modell. Überhaupt ist in der Physik das meißte ein Modell, denn die Wirklichkeit kann beliebig komplex sein. Auch die Vorstellung, die die meißten Menschen von einem Atom haben, nämlich mit einem Kern und drum herum kreisenden Elektronen (wie im Logo -->) ist nicht korrekt. Aber solche Modelle kommen der Wirklichkeit recht nahe und, das ist der Clou, eignen sich um Phänomene recht gut zu beschreiben. Anders gesagt: Man kann damit rechnen, und die Ergebnisse passen zu dem, was wirklich passiert.
Zurück zum Massenpunkt. Das Modell ist das Folgende: Man stelle sich einen ganz ganz ganz... kleinen Punkt vor. Dieser Punkt habe nun eine gewisse Masse. Fertig!
Was es bedeutet, wenn etwas eine Masse hat, können Sie sich sicher intuitiv vorstellen. Deshalb gehe ich jetzt nicht weiter darauf ein, komme aber später darauf zurück.
Was habe ich nun davon? Die Betrachtung dieser kleinen Punkte genügt, um die Gesetzmäßigkeiten der Mechanik zu veranschaulichen. Denn die Gesetze, die Sie vielleicht einmal in der Schule gelernt oder zumindest gesehen haben, beschreiben meißt die Mechanik einzelner Punkte, nicht ganzer Körper. Warum eigentlich? Schließlich bestehen die Dinge um uns herum ja aus massivem Material und nicht aus kleinen Massenpunkten. Oder?
Das Stichwort Atom ist ja bereits gefallen. Die Wissenschaft hat gezeigt, dass alles aus kleinen Teilen aufgebaut ist. Ursprünglich dachte man, dass die kleinsten Teile die Atome (altgr. átomos -> unteilbar) sind. Heute weiß man, dass auch Atome wiederum aus kleinen Teilen bestehen. Das ist aber nicht weiter wichtig. Wichtig ist, dass alle Materie aus kleinen Massenteilen besteht, mit viel "Nichts" dazwischen.
Warum merken wir das nicht? Weil diese Teile einen Zusammenhalt haben. Deshalb sind Körper massiv und wir fallen nicht auseinander.

Sind Sie mir soweit gefolgt? Dann haben Sie vielleicht den Einwand, dass es ja unsinnig ist, von einzelnen Punkten zu sprechen, wenn diese doch alle zusammen hängen und als ein einziger Körper auftreten. Damit haben Sie natürlich vollkommen recht!
Gase kann man noch gut als Ansammlung vieler Massenpunkte betrachten. Und auch die Grundlagen der Mechanik lassen sich am besten an Massenpunkten veranschaulichen. In unserem Alltag jedoch wird es dann schwierig.
ABER: Da gibt es ein interessantes Konzept um trotzdem Körper als einzelne Punkte zu betrachten:

Der Schwerpunkt:

Vom Schwerpunkt haben Sie sicher schon gehört und können sich sicher wieder intuitiv eine Vorstellung machen.
Physikalisch ist er so definiert:
R ist dabei dieser Schwerpunkt (ein sogenannter Vektor), die m's sind die einzelnen Massen und die r's sind die Positionen dieser Massen.

Das ist recht theoretisch. Eigentlich sagt die Formel nur: Der Schwerpunkt ist in der effektiven Mitte aller Massenpunkte eines Körpers. Effektive Mitte? Nun ja, wenn die den Schwerpunkt einer Kugel (Bowlingkugel, Ball,...) suchen, dann ist der natürlich genau in der Mitte. Aber wie sieht es beispielsweise bei einer Birne aus? Oder einem Kegel? Diese Objekte sind nicht mehr so schön symmetrisch. Wenn die Masse "ungleichmäßig" verteilt wird, verlagert sich der Schwerpunkt in Richtung des "Ballungsgebietes" der Masse. Es ist im Prinzip wie ein Durchschnitt. Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in einer großen Fabrik mit vielen Bandarbeitern und einigen wenigen Managern. Die Manager werden mehr verdienen als der normale Fabrikarbeiter. Aber wenn Sie den Lohndurchschnitt aller Angestellten (samt Bosse) bestimmen, wird er näher an dem Lohn der Fabrikarbeiter als an dem der Manager liegen.
So ist das mit dem Schwerpunkt auch.

Fazit: Jeder Körper hat einen Schwerpunkt der bestimmt werden kann. Für viele Situationen genügt es, den Schwerpunkt eines Körpers zu betrachten (nämlich dann, wenn es nur um Bewegungen des Körpers selber, nicht aber um Stöße oder Wechselwirkungen mit anderen Körpern geht).

Das ist sehr hilfreich. Wenn man die Bahn der Erde um die Sonne betrachtet, betrachtet man eigentlich die Bahn des Schwerpunktes der Erde um die Sonne (bzw. deren Schwerpunkt).

Nun habe ich das Ziel gesetzt, bezüge zum alltäglichen Leben zu liefern.
Wo kommt nun der Schwerpunkt im alltäglichen Leben vor?

Balancieren Sie manchmal auf dem Bordstein? Oder mussten Sie bei einer Polizeikontrolle schon mal diese Linie entlanggehen? Unter Umständen verliert man dabei schon mal das Gleichgewicht. Aber warum?
Wenn wir so durch die Gegend wandern, lastet unser Körper auf den Beinen, und zwar, der Breite unseres Schrittes entsprechend auf einer recht breiten Fläche. Wir haben hier keine Gleichgewichtsprobleme, meißt. Wenn wir nun aber, wie in den obigen Fällen, einen Fuß direkt vor den anderen setzen (und nicht weiter vorne daneben), dann wird diese Fläche ziemlich schmal. Unser Körperschwerpunkt liegt mittig und etwa in Höhe des Bauchnabels. Bewegen wir diesen Schwerpunkt über diese Fläche hinaus, merken wir, dass wir unser Gleichgewicht verlieren. Und dann machen wir etwas, was auf den ersten Blick völlig unsinnig erscheint: Wir lehnen uns mit unserem Oberkörper in die Richtung, in die wir gerade zu kippen drohen. Und das ganz intuitiv, wir denken gar nicht daran, dass das vielleicht nicht so gut sein könnte sich gerade dahin zu lehnen. Trotzdem funktioniert es. Warum? Weil wir dadurch unsere Hüfte, und dabei auch unseren Schwerpunkt, in die andere Richtung schieben. Und so kommen wir wieder ins Gleichgewicht.

Grüßere Auflagefläche und niedriger Schwerpunkt geben Stabilität. Das nutzt man auch beim Sport. Sehen Sie sich beispielsweise die Körperhaltung von Skifahrer, Snowboardern, Surfern, Rennradfahrern, Kampfsportlern, etc. an. "In Action" nehmen alle eine gebückte Haltung ein. Dadurch verlagert sich der Schwerpunkt nach unten und man ist Stabiler. Ja, der eine oder andere nutzt das auch um den Luftwiderstand zu vermindern, aber das schließt sich gegenseitig ja nicht aus.

Sie können auch einmal testen, wie eine Flasche besser steht, auf dem Boden oder auf dem Hals. Sie können es sich auch sicher denken. Auf den Hals gestellt ist eine Flasch weit anfälliger auf "Angriffe" von der Seite.

Mal was ganz anderes: Wissen Sie was ein Alphatier ist? Das ist ein Tier in einer Herde mit einer besonderen Eigenschaft: Alle rennen ihm hinterher. Das kann man unter anderem bei Schafherden erkennen. Anstatt eine ganze Herde zu betrachten, ist es manchmal einfacher das Alphatier zu betrachten, eben weil die anderen Tiere in der Regel ganz in der Nähe sind. So was gibt es bei Menschen manchmal auch, nicht wahr?
Sie sehen also, die Prinzipien, die in der Physik gelten, gelten oft auch in einem größeren Zusammenhang. Auf ähnliche Weise lassen sich auch viele Gesetze in der Physik von einem Maßstab auf einen größeren oder kleineren Übertragen. Das macht die Physik sehr leistungsfähig.
Alles scheint irgendwie zusammen zu hängen...

Das soll genügen.
Abschließend noch ein kleiner Verweis auf ein sehr interessantes Spiel:
http://www.20q.net
Lassen Sie den Computer einmal Ihre Gedanken lesen. Und wenn Sie wollen, schreiben Sie in den Kommentaren von Ihren Erfahrungen.

Christian

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