Mittwoch, 27. August 2008

Was das Faultier über die Physik weiß


Von www.ruthe.de mit freundlicher Genehmigung, © Ruthe/Distr. by Bulls


Faultiere sind mit dem Ameisenbär und dem Gürteltier verwandt. Sie bewohnen die Baumkronen der tropischen Regenwälder Mittel- und Südamerikas. Fast ihr ganzes Leben verbringen sie auf dem Rücken hängend, einen Großteil dieser Zeit schlafen sie.

Was weiß das Faultier über die Physik?

Ein Faultier zeichnet sich scheinbar durch eine Eigenschaft besonders aus: Es ist sehr "träge".
Im Post "Pünktchen und A(n)tom" bin ich bereits darauf eingegangen, dass man sich einen Körper (also irgendetwas Materielles) als eine Anhäufung vieler kleiner Massenpunkte vorstellen kann. Damit hat der Körper ebenfalls eine Masse, die in Büchern "Gesamtmasse" genannt wird. Im Post davor, "Von Zeit und Geld", habe ich schon etwas vorgegriffen und Newtons Gesetz der Dynamik erwähnt, F=m*a. Darauf möchte ich noch einmal zurückkommen.

Die Gleichung F=m*a bedeutet: Die Kraft F ist dem Produkt aus Masse und Beschleunigung proportional. Wir haben die Bedeutung des Wortes Kraft noch nicht besprochen, aber Sie haben sicher eine recht gute Vorstellung davon, was Kraft ist. Und das genügt für's Erste auch. Im letzten Post, "Physik im Straßenverkehr (1)", habe ich (unter anderem) versucht zu erklären, was die Beschleunigung ist. Bleibt noch die Masse. Auch hier haben Sie sicher eine gute Vorstellung davon. Aber könnten Sie konkret sagen, was Masse ist?

Wenn wir die Formel betrachten ist die Masse ganz formal gesehen ein sogenannter Proportionalitätsfaktor. Wenn ich weiß, dass die Kraft proportional zur Beschleunigung ist (man schreibt dann F~a), kann ich noch nichts berechnen. Die Kraft könnte ja noch zu irgend etwas anderem proportional sein (und "irgend etwas" können natürlich auch mehrere Sachen sein). Andererseits tritt dieses "irgend etwas" wie die Beschleunigung auf der rechten Gleichungsseite als Faktor auf, als Proportionalitätsfaktor eben. In diesem Fall hat unser Proportionalitätsfaktor, "Masse" genannt, eine tatsächliche physikalische Eigenschaft: Die Masse ist "träge".

Was bedeutet das nun wieder?
Nehmen wir einen Massenpunkt. Dieser Massenpunkt ruht (das legen wir so fest). Und weil der Massenpunkt eben eine Masse hat, ist er träge und bleibt auch ruhend. Wie ein Faultier. Damit der Massenpunkt sich bewegt, muss eine Kraft wirken. Beim Faultier z.B. der Hunger als Kraft im übertragenen Sinn. Je größer die Kraft, desto größer ist die Beschleunigung, desto schneller kommt der Massenpunkt also "in Gang". Im Faultierbeispiel würde das bedeuten: Je größer der Hunger, desto schnelle bewegt sich das Faultier. Ob das jetzt in der Natur auch so ist sei dahingestellt.
Anders herum gilt das natürlich auch: Ein Massenpunkt, der sich einmal mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegt, wird das auch weiter tun, es sei denn eine Kraft bremst ihn ab (oder beschleunigt ihn sogar noch). Im Faultierbeispiel könnte man vielleicht sagen, die bremsende Kraft ist die Müdigkeit. Scheinbar ist ein Faultier immer müde, denn allzu lange bewegen sich diese Tiere nicht.

Damit haben wir das Herzstück der klassischen Mechanik kennen gelernt, die ersten beiden Newtonschen Axiome:

1. "Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Translation (=Bewegung), sofern er nicht durch einwirkende Kräfte zur Änderung seines Zustands gezwungen wird."

2.
Die Änderung der Bewegung einer Masse ist der Einwirkung der bewegenden Kraft proportional und geschieht nach der Richtung derjenigen geraden Linie, nach welcher jene Kraft wirkt.

Haben Sie schon einmal einen Menschen gesehen, den irgend etwas oder irgend jemand so richtig "auf die Palme" gebracht hat (ob das wohl wegen der Faultiere so heißt?)? Auf diesen Menschen hat auch eine gewisse Kraft gewirkt, und um ihn von der "Palme" wieder runter zu kriegen, ist auch eine gewisse Kraft nötig, nicht wahr.
Auch hier wieder eine Analogie: Wenn nun niemand die Kraft aufwendet, um den Kollegen von der Palme zu holen, bleibt der dann für immer da oben? Nein. Er beruhigt sich von selbst. Kleine innere und äußere Kräfte bremsen ihn langsam wieder runter. Innere Kräfte wären beispielsweise Vernunft oder Selbstbeherrschung, äußere Kräfte vielleicht ein Sonnenstrahl oder ein Blick auf's Familienfoto auf dem Schreibtisch. In der Physik ist es nicht anders und vor allem eine äußere Kraft spielt hier eine wichtige Rolle und ist in der Regel für das Ende jeglicher Bewegung verantwortlich: Die Reibungskraft. Und Reibung ist überall. Aber das soll uns an andere Stelle noch beschäftigen.

Nächstes Mal geht es dann, wie angekündigt mit "Physik im Straßenverkehr (2)" weiter, in der Trägheit eine große Rolle spielt. Zumindest sofern ich die Kraft dazu aufbringen kann...

Christian

Keine Kommentare:

 
Add to Technorati Favorites